Hörkultur mit Features, Reportagen und Musik

Hörfunk Audio Reportage Hamburg

Herzlich willkommen!

Mit geschichtlichen und musikalischen Hintergründen zu Konzerten, Interviews und Informationen zum aktuellen Geschehen begleitet Radio Kammerfunk die Arbeit des Hamburger Kammerkunstvereins und präsentiert außerdem andere kulturelle Events nicht nur musikalischer Natur.

Veranstaltungen mit Herz und Hirn – Der Hamburger Kammerkunstverein ist Kompetenzzentrum für Kammermusik, Liedgesang und Theater. Kammerkünstler erfinden neue Aufführungsformen und interdisziplinäre Projekte an ungewöhnlichen Orten.

Radio Kammerfunk wird von Hanns-Georg Hanl und dem Hamburger Kammerkunstverein realisiert.

Klassische Künste in neuen Formen, ein Ensemble auf hohem Niveau. Zuhörer begegnen Künstlern, seit 20 Jahren bei bald 1 000 Veranstaltungen in Hamburg – erleben Sie den Hamburger Kammerkunstverein und andere kulturelle Veranstaltungen hier auch online.

FRÜHLINGSSONATE

Das Konzert im Oberhafen und in der Handelskammer im April 2020 entfällt, dafür lädt der Hamburger Kammerkunstverein Sie hier herzlich ein, eine eigens in der Handelskammer Hamburg angefertigte Aufnahme dieser wunderbaren Sonate im Video oder zum Hören zu erleben und zu genießen!

Die Kammerkünstler wünschen Ihnen alles Gute in diesen unwirklich erscheinenden Zeiten, wir hoffen auf ein baldiges persönliches Wiedersehen bei einem Konzert!

FRÜHLINGSSONATE

von M. Stürzinger, Violine; F.-T. Link, Klavier | April 2020

Zum Feierabendkonzert "Der schönste Platz ..."

50 Jahre am Klavier und die Schubert Klaviersonate D 960

Lesen Sie hier aus dem Programmheft zum Feierabendkonzert "Der schönste Platz ..."

Der schönste Platz auf Erden.

Haben Sie so ein richtiges Lieblingsessen? Stellen Sie sich vor, Sie würden es jeden Tag essen. Sehr bald würden Sie wahrscheinlich nicht mehr sagen: „Das ist das schönste Essen auf Erden.“ Wahrscheinlich würde Ihnen das Essen bald langweilig oder gar zum Halse heraushängen.

Beim Klavier verhält sich das anders: In den letzten 50 Jahren verging kaum ein Tag, an dem ich nicht Klavier gespielt habe. Und ich liebe das Klavier noch immer  als meinen besten Freund und Lebensgefährten. Denn ich kann mir keinen vielseitigeren und persönlicheren Beruf vorstellen als den eines Pianisten. Ich stehe morgens auf und dann geht es um die Musik, das Klavier, die Konzerte und die Schüler, bis ich abends wieder schlafen gehe. 

Ich habe großes Glück, denn die Kollegen, mit denen ich spiele und auftrete, sind fast alle gute persönliche Freunde. Das bedeutet, das Klavier regelt auf wunderbare Art den wesentlichen Teil meines Privatlebens: Da wir im Kammerkunstverein die Programme mindestens einmal im Monat, meistens öfter, wechseln, treffe ich mich dann immer wieder mit verschiedenen Freunden zu intensiven Proben. Das an sich ist schon eine beglückende Vielfalt, die mir das Klavier schenkt. 

Dazu kommt, dass ich oft in den Proben denke, wie privilegiert wir eigentlich sind, dass wir gemeinsam musizieren können: Es gibt weniges, wobei man gemeinsam ebenso viel Glück erfahren kann, wie beim gemeinsamen Musizieren. Einer schöneren Beschäftigung können Freunde kaum nachgehen, wenn sie sich treffen. Vielleicht bin ich auch deshalb hauptsächlich in der Kammermusik gelandet, obwohl ich ursprünglich ja eher solistisch ausgebildet bin.

Ich glaube, dass die Musik dort beginnt, wo die Sprache aufhört. Ein gutes Beispiel dafür ist eine Situation im Kammerkunstverein, die ich nie vergessen werde: Mein Freund und Kollege Nicholas Ashton aus Edinburgh hatte bei uns Konzerte und kam vom Flughafen aus direkt in meinen Überaum. Wir hatten uns lange nicht gesehen, haben uns sehr gefreut und hatten sicher viel zu erzählen… 

Aber da lagen noch die Noten vom c-moll Bach Konzert für zwei Klaviere auf den Instrumenten, das ich zuvor mit einem anderen Pianisten geprobt hatte. Und Nicholas sagte: “Let’s not talk. Let’s play!“. So war unsere Begrüßung bestimmt von diesem herrlichen Flug durch das überirdisch schöne Doppelkonzert von Bach.

Gibt es ein vornehmeres und glücklicheres
„Hello, how are you?“

Von den herrlichen Reisen, die mir mein geliebtes Klavier geschenkt hat, fange ich an dieser Stelle gar nicht erst an zu schwärmen… dies ist ja bloß ein Programmheft und keine Autobiographie…

Arthur Rubinstein hat einmal gesagt, Klavierspielen benötige 5% Begabung und 95% Fleiß. Da ist sicher etwas dran, denn man muss viel üben, und das ist auch nach 50 Jahren noch so. Durch die Routine weiß man nur umso besser, was man alles noch musikalischer oder schöner oder ausdrucksstärker gestalten könnte. Also tut man es. So entwickelt man sich künstlerisch immer weiter. Würde das aufhören, könnte auch das Klavier zur verhassten Lieblingsspeise werden. 

Als Schüler kamen mir die vielen Stunden am Klavier oft vor wie Einzelhaft. Aber mir war schon sehr früh klar, dass ich mit meinem geliebten, großen, schwarzen Freund mein Leben verbringen würde und dass ich genau das tun musste, was die anderen Jungs ‚draußen‘ taten, wenn sie trainierten, um Profi-Fußballer zu werden: Üben Üben Üben!

Erst als es nicht mehr um die Vorbereitung von Prüfungen und Wettbewerben ging, sondern um echte Konzerte mit Leuten, die unsere Musik hören wollen, wurde ich mir darüber klar, dass die Zeit, allein mit der fantastischen Musik unserer Großmeister, wie Bach, Beethoven, Brahms, Poulenc und den anderen, ein weiteres, wertvolles Privileg ist: In den ungezählten Stunden im Überaum vertiefen wir uns in ein Meisterwerk, erspüren unseren Zugang dazu und unsere Art der technischen (oft sportlichen) und künstlerischen Ausführung. Wir sind ganz allein mit uns selbst in dem Kosmos, den das Stück, das wir lernen, im Überaum und in uns selbst ausbreitet. Immer wieder, Tag aus, Tag ein. Tag ein, Tag aus. 

Solche tiefgründige Meditation während der Arbeitszeit erlauben nur wenige Arbeitgeber… 

Es ist sehr schön, Musiker zu sein, das kann ich Ihnen sagen!

Sagen wir so: 

Das Klavier ist mein bester Freund.

Und die Musik?: 

Sie ist meine beste Lebenslehrerin.

Und:

Sie ist meine Arbeitgeberin.

Das Konzertieren ist mir sehr wichtig. Nicht nur der Gage wegen. Zu Konzertieren ist für mich auch wie ein Rückzahlen dieser Privilegien. Mir kommt es beim Öffentlichspielen oft so vor, als würde ich die Welt, in die ich mich in der Vorbereitungszeit vertiefen durfte, mit den Zuhörern im Konzert teilen.

Geteiltes Glück ist ja wohl doppeltes Glück. 

Oder wie war das mit der Mathematik?

In den letzten 10 Jahren ist meine Freude am Unterrichten sehr gewachsen. Das hat sicher damit zu tun, dass ich nicht mehr 100 Konzerte im Jahr spiele, sondern etwa 40. Darum habe ich mehr Zeit und Ruhe. Ich spreche gerne mit den jungen Leuten über die Musik und spiele gerne mit ihnen. Das heißt, wir bewegen uns immer an dieser Grenze, wo die Sprache aufhört und die Musik beginnt. Das ist ein lustiges Lernen-und-Lehren. Wahrscheinlich in beiden Richtungen! 

Dennoch: 

Der Platz am Klavier ist für mich nicht nur der schönste Platz auf Erden, sondern auch der schönste Platz im Konzertsaal.

Bitte, kommen Sie wieder zu meinen Konzerten in den kommenden 50 Jahren!

  

Herzliche Grüße, 

Ihr Franck-Thomas Link

Ausschnitte von den Proben, Informationen zu geplanten Stücken und Interviews mit den Beteiligten verschaffen einen tieferen Einblick in die Arbeit des Vereins. Als akustisches Archiv werden Veranstaltungen redaktionell aufbereitet und in Form eines Features oder einer Reportage präsentiert. So wird auch die Atmosphäre im Saal eingefangen und authentisch vermittelt. Von der Konzeption für einen Beitrag bis zur Bereitstellung im Internet und auf CD. Dazu gehört das Schreiben der Texte ebenso wie die Entwicklung des grafischen und technischen Designs für diese Internetseiten. In enger Zusammenarbeit mit den Veranstaltern sorgt Hanns-Georg Hanl als Redakteur und Produzent für die Umsetzung des gesamten Projektes.